Ein grausamer Krieg in der Ukraine! Wie soll man damit umgehen?
Ukraine-Konflikt: eine Herausforderung
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Ein Krieg Staat
gegen Staat und das in Europa? So etwas hat es lange nicht gegeben. Es
ist allerdings auch nicht das erste Mal, dass so etwas passiert. Ich
möchte in diesem Kapitel danach fragen, welche Arten von Kriegen es gibt
und wie der jetzige Krieg durch den Aggressor begründet wird. Außerdem
möchte ich die besondere Herausforderung dieses Krieges herausarbeiten.
Wie geht man mit einer gewalttätigen Atommacht um?
Kurze Chronologie des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine seit 2014
Karikatur: der russische Präsident Wladimir Putin als Lügner
Alle Länder haben ihre eigene Prägung und ihre eigenen Interessen.
Lebensweisen und Kulturen können sehr unterschiedlich sein. Manchmal
sind sie aber auch sehr ähnlich. Zwischen Deutschland, Österreich und
der Schweiz gibt es beispielsweise viele Ähnlichkeiten, etwa in der
Sprache und bei den Mehrheitsreligionen. Das ist auch bei der Ukraine
und Russland so. Immerhin waren beide Länder im Russischen Reich und in
der Sowjetunion lange Zeit Teil eines Staates. Nur – berechtigen solche Prägungen ein Land, ein anderes Land anzugreifen? Nein. Natürlich nicht. Was
immer also an historischen oder kulturellen oder wirtschaftlichen
'Gründen' von Angreifern genannt wird, um zu rechtfertigen, weshalb sie
den Krieg begonnen haben, kann nicht akzeptiert werden. Dennoch bringen
Angreifer natürlich sehr oft solche angeblichen Gründe vor, um die
Schuld für Tote, Verletzte und all die sonstigen Zerstörungen von sich
abzuwälzen.
Um es auf den Punkt zu bringen: Für Angriffskriege gibt es
grundsätzlich keine Rechtfertigung. Sie sind verboten und Staatsführer,
die einen solchen Krieg vorbereiten, beginnen und führen, sind
Verbrecher.
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§Der Historiker Mirko Drotschmann über die Erfindung von Kriegsgründen
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Kriegsbegründungen – einige Beispiele
Angriffskriege sind verboten. Und doch gibt es sie immer wieder.
Politiker (sehr oft sind es Diktatoren), die Kriege beginnen, bringen
dafür verschiedene 'Gründe' vor, so etwa:
Besitzansprüche, die historisch begründet werden ('Das hat früher mal zu uns gehört.')
(angebliche) Sicherheitsbedrohungen ('Dieses Land hat bedrohliche Waffen und ist bereit, sie gegen uns einzusetzen.')
Gier
nach Rohstoffen oder Marktzugängen ('Wenn wir über diese Ölvorkommen
verfügen könnten, wären wir wirtschaftlich viel mächtiger.')
Hass aus religiösen oder ideologischen Gründen ('Diese Religion müssen wir bekämpfen, weil wir sie abgrundtief verabscheuen.')
Oftmals werden jedoch die wahren Gründe verschleiert. Das bedeutet,
Politiker lügen dann und versuchen, die Schuld den Angegriffenen zu
geben. Dabei tun sie so, als hätten die Angegriffenen den Kampf
begonnen, als wären sie moralisch verwerflich oder missachteten die
Menschenrechte. Nicht selten werden in solchen Behauptungen auch
Verschwörungserzählungen genutzt ('Die streben schon lange heimlich nach
der Ausdehnung ihrer Macht.' etc.)
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Der preußische General und Militärtheoretiker Carl von Clausewitz (1780–1831): Was ist Krieg?
Der Krieg ist [...] ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung
seines Willens zu zwingen. [...] Der Krieg geht immer von einem
politischen Zustande aus und wird nur durch ein politisches Motiv
hervorgerufen. Er ist ein politischer Akt. [...] Der Krieg ist eine
bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.
Historiker und historisch denkende Menschen sind
gewöhnt, immer die Vor- und die Nachgeschichte von Krieg anzusehen, um
genauer zu verstehen, wie es zu Konflikten kam, welche Streitpunkte
bestanden und wer die Handelnden waren. Und es geht ihnen auch immer
darum, zu untersuchen, unter welchen Umständen Kriegsparteien anfangen,
über einen Waffenstillstand oder Frieden zu verhandeln.
Marcus Ventzke, Digitale Lernwelten
Vergangenheit als Kriegsbegründung
Oftmals wird mit Vergangenheit und Geschichte das Handeln in der Gegenwart begründet.
Das ist immer gefährlich, weil man dann versucht, frühere Zustände
wieder herzustellen. Vergangenheit lässt sich aber nicht zurückholen,
weil die Welt sich weiterdreht: In anderen Zeiten haben andere Menschen
andere Interessen – schon deshalb ist Geschichte als Handlungsprogramm
für heute meistens eine schlechte Idee. Es ist nicht möglich, frühere
Zeiten mit Gewalt wieder herzustellen. Ganz oft wurde oder wird jedoch
genau das versucht:
Kaiser Ferdinand II. wollte im Dreißigjährigen Krieg das
einheitliche katholische Reich wiederherstellen, wie es bis zum Beginn
der Reformation bestanden hatte.
Die arabischen Staaten haben
nach der Gründung des Staates Israel im Jahr 1947 immer wieder versucht,
diese Staatsgründung mit Gewalt zu bekämpfen und rückgängig zu machen.
Der
Präsident Russlands, Wladimir Putin, versucht in seiner
Herrschaftszeit, die Größe des zaristischen Russlands
wiederherzustellen.
Die Hauptverantwortlichen für die Vorbereitung und Führung
des Zweiten Weltkrieg, der ein verbrecherischer Angriffskrieg war,
wurden nach Ende des Krieges in Nürnberg vor Gericht gestellt und
verurteilt.
Es klingt vielleicht ein wenig komisch, aber auch die Kriegführung unterliegt rechtlichen Vorgaben. Man nennt solche Regeln das Kriegsvölkerrecht. Zum Beispiel müssen Zivilisten und zivile Anlagen geschont werden und Kriegsgefangene sollen menschenwürdig behandelt werden. Nicht alle Kriege sind strikt untersagt. Welche erlaubt sind, regelt das Völkerrecht. Folgende Kriege dürfen geführt werden:
Wer angegriffen wird, darf sich verteidigen. Dazu dürfen alle
erlaubten militärischen Vorgehensweisen angewendet werden. Angegriffene
dürfen sich auch helfen lassen, etwa mit Waffenlieferungen und Soldaten
(Verteidigungskrieg).
Wenn ein Angriff eines feindlichen Staates
unmittelbar bevorsteht, darf der bedrohte Staat vorbeugend militärisch
agieren (Präventivkrieg).
US-Soldaten trainieren den Umgang mit einem gepanzerten Fahrzeug für
einen Einsatz im Rahmen eines UNO-Mandats (sog. Blauhelmeinsatz, weil
UNO-Soldaten immer blaue Helme tragen).
Außerdem können die Vereinten Nationen (UNO) ein militärisches
Eingreifen ihrer Mitgliedsstaaten erlauben, etwa um die massenhafte
Tötung von Menschen (Völkermorde) in Bürgerkriegen oder
zwischenstaatlichen Konflikten zu verhindern.
Wie soll man mit dem Krieg in der Ukraine umgehen?
Kriegsverbrechen ...
Krieg mit einer Atommacht ...
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Der Krieg in der Ukraine ist, wie jeder Krieg, schrecklich. Viele
Menschen sterben, nicht nur Soldaten, sondern auch Zivilisten in den
Dörfern und Städten. Und Menschen sterben nicht nur durch
Kriegshandlungen, sondern auch durch Kriegsverbrechen. Der kleine Ort
Butscha in der Nähe von Kiew steht für diese Verbrechen: Viele Zivilsten
wurden dort ermordet.
Der 'rote Knopf'. Symbol für die Auslösung eines Atomkriegs
Kriege mit Beteiligung von Ländern, die über Atomwaffen verfügen,
sind besonders. Warum? Nun, alle Beteiligten sollten sich überlegen,
dass es am Ende zu einem möglicherweise weltweit vernichtenden Einsatz
solcher Atomwaffen kommen kann. Was bedeutet das? Folgendes muss beachtet werden:
Atommächte können andere Länder erpressen und ihre Gegner können
diese Atommächte deshalb nicht völlig besiegen, militärisch besetzen
usw.
Es muss daher immer einen Weg geben, mit einer Atommacht zu
verhandeln und deren Interessen zu berücksichtigen. Das kann leider
sehr schmerzhafte Zugeständnisse bedeuten.
Kriege und Kriegsverbrechen hängen meistens sehr eng miteinander
zusammen: Das Bild zeigt die während des Ersten Weltkriegs von deutschen
Truppen niedergebrannte Universitätsbibliothek von Löwen in Belgien.
„Der Galgenbaum“ aus dem 18-teiligen Radierzyklus „Die großen Schrecken des Krieges“ (Les Grandes Misères de la guerre), nach Jacques Callot (1632). Die Abbildung zeigt die Exekution von Dieben („Voleurs infames et perdus“) sowie vermutlich auch Marodeuren,
die um ihr Leben würfeln (in der Abb. rechts). Solche Hinrichtungen
kamen im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) öfter vor. Hier erfolgt sie
im Beisein von Geistlichen und entsprach dem damaligen Kriegsrecht.
Die „spanische Furie“: Während des Kampfes der Niederländer gegen die
Spanier im 16. Jahrhundert ermordeten spanische Truppen wehrlose
Zivilisten. Das Bild zeigt die Sicht eines Künstlers auf das Geschehen
in Antwerpen im Jahr 1576, nachdem spanische Truppen die Stadt
eingenommen hatten: Brände wurden gelegt, die Stadt geplündert und
Menschen wahllos umgebracht. Bis zu 10.000 Menschen starben.
Wie verhindert man Kriege? Oder: Müssen manche Kriege einfach geführt werden?
Kann man den Zusammenhang von Kriegsvorbereitung, Krieg und
Kriegspropaganda durchbrechen? Skulptur des schwedischen Künstlers Carl
Fredrik Reuterswärd mit dem Namen „Non-Violence“ vor dem UNO-Gebäude in
New York. Sie war ein Geschenk Luxemburgs an die Vereinten Nationen.
Hinter Kriegen stehen Anführer mit Zielen. Sie machen sich Pläne und
stellen oftmals sehr klare Überlegungen an. Wenn solche Anführer unter
allen Umständen auf Eroberungen aus sind, wenn sie ihre wahren Absichten
verschleiern und lügen, um andere Länder in die Irre zu führen, dann
kann man meistens nur wenig tun, um einen Kriegsausbruch zu verhindern. Sehr
oft stehen hinter Kriegen aber auch religiöse Konflikte,
wirtschaftliche Interessen, Gefühle der Bedrohung oder
Bündniserwartungen. An diesen Konflikten kann man arbeiten. Man kann zum
Beispiel versuchen, sie abzumildern, für einen Ausgleich der Interessen
zu sorgen, an vertrauensvollen Gesprächen zwischen Kontrahenten zu
arbeiten usw. Das alles garantiert nicht, dass es nicht doch zu
einem Krieg kommt, ist aber immer noch besser, als sofort aufeinander
einzuschlagen.
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Was hat der Krieg mit uns zu tun? Wie kann man mit einem solchen Krieg umgehen?
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Der SPD-Politiker Willy Brandt (1913–1992), der 1971 auch Friedensnobelpreisträger war, mit einem Appell zum Frieden
Über den allgemeinen Gewaltverzicht hinaus – sei er bilateral oder
multilateral ausgesprochen – können wir mehr Sicherheit erreichen durch
gleichberechtigte europäische Teilnahme an speziellen Vereinbarungen
über Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle. Über den ausgewogenen
Abbau von Truppenstärken in der Mitte Europas muss konkret verhandelt
werden. [...] Mir ist nicht nach dem lauten Appell zumute. Es ist
leicht, von anderen Maß, Vernunft, Bescheidung zu fordern. Aber diese
Bitte kommt mir aus dem Herzen: Alle, die Macht haben, Krieg zu führen,
möchten der Vernunft mächtig sein und Frieden halten.